Mit Sonntag, dem 31. Dezember, endet das Jahr 2023 und die Adventszeit ist vorüber. Das Wort Advent kommt aus dem lateinischen „adventus“, was übersetzt ins Deutsche „Ankunft“ heißt. Im religiösen Sinne geht es um die Ankunft Jesu Christi in unserer Welt.
Aber auch im ganz profanen Sinn kommt dem Begriff „Ankunft“ eine große Bedeutung zu. Dort, wo ich angekommen bin, bin ich sicher, kann ich Vertrauen fassen. Das gilt auch für die Patienten in einem Krankenhaus, die – gerade bei einer Notaufnahme oder einem Erstaufenthalt – oftmals verunsichert sind, sich erst einmal orientieren und nicht nur körperlich, sondern auch seelisch ankommen müssen. Feste Abläufe können dabei eine große Hilfe sein. In Krankenhäusern gibt es daher, oft unbewusst, etliche Rituale: wann und wie das Essen gebracht wird, wann bettlägerige Patienten und Patientinnen gewaschen werden, die geregelten Besuchszeiten, die täglichen Visiten und vieles mehr.
Feste Gewohnheiten, also Rituale, prägen unser Leben. Meist sind sie aus Familientraditionen und wiederkehrenden Festen im Jahreskreis heraus entstanden und tragen so zu einem Zusammengehörigkeitsgefühl bei. Gerade in der Advents- und Weihnachtszeit, sowie an Silvester wird dies besonders deutlich. Der Adventskranz mit seinen vier Kerzen, die „Familienplätzchen“, die jedes Jahr gebacken werden, oder der gemeinsame Raclette-Abend zum Jahreswechsel und manches andere mehr gehören für viele Menschen ganz selbstverständlich in diese Zeit.
Aber auch die eigenen, im Laufe des Lebens entstandenen Rituale geben Halt und Sicherheit, wenn das Leben ganz anders verläuft als erwartet und geplant. Dadurch, dass sie sich in erster Linie an das Herz richten und weniger an den Verstand, können sie Zeit und Gefühle ordnen und strukturieren. Ein schönes Beispiel dafür findet sich bei Antoine de Saint-Exupéry in seiner Erzählung „Der kleine Prinz“: „Es wäre besser, du wärst zur selben Stunde wiedergekommen“, sagte der Fuchs. „Wenn du zum Beispiel um vier Uhr kommst, kann ich um drei Uhr anfangen, glücklich zu sein. Es muss feste Rituale geben.“
Als Krankenhausseelsorger und -seelsorgerinnen können wir, wenn Menschen es möchten, durch feste Rituale Sicherungsstrategien anbieten, die nicht billig vertrösten. Deutungen, die hoffen lassen, dass auch dann, wenn wir an Grenzen (auch Lebensgrenzen) gekommen sind, die Welt noch nicht am Ende ist, können ins Spiel gebracht werden. Sie können einladen, dem Guten mehr zu trauen als dem Schrecklichen. Durch akzeptierte Riten können Patienten und Patientinnen erfahren, dass sie nicht in jeder Situation alles selbst in die Hand nehmen und alleine durchstehen müssen.
Rituale und Gesten können auch dann Brücken bauen, wenn die Sprache versagt. Ein Lied, ein Gebet, eine Segensformel, Empfang des Abendmahls, der Kommunion, der Segnung oder der Krankensalbung, das Entzünden einer Kerze in der Krankenhauskapelle – Zeichen wie diese geben den Gefühlen Raum. Rituale gehen in die Tiefe, sie stiften Beziehungen – zum eigenen Leben, zu anderen Menschen, bei Gläubigen auch zu Gott. Verwundbarkeiten müssen nicht überdeckt werden. Vielmehr kann mit Hilfe von Ritualen ein Weg bereitet werden für einen ehrlichen Umgang mit Schwäche, der Fragilität unseres Lebens und ebenso für die Gestaltung freudiger, erfüllender Zeiten. Damit würde nicht einer resignativen Ohnmacht das Wort geredet, sondern eine Lebenshaltung vorgeschlagen, die der eigenen Verwundbarkeit ins Auge sehen kann, ohne daran zugrunde gehen zu müssen. Nicht zuletzt heben Rituale aus dem Alltag heraus. Rituale sind heilsam.
Monatlicher Input der Seelsorge – heutiger Text ist von Gemeindereferentin Gisela Stevens, die in der katholischen Seelsorge im St. Vinzenz Krankenhaus arbeitet.