Der Fettstoffwechsel im menschlichen Körper ist ein komplexer Prozess, bei dem Fette, auch Lipide genannt, metabolisiert (verarbeitet), gespeichert, abgebaut oder umgewandelt werden, um Energie zu erzeugen und lebenswichtige Funktionen zu unterstützen. Ein ausgewogener Fettstoffwechsel ist entscheidend für die Gesundheit. Ist er jedoch gestört, können ernsthafte Gesundheitsprobleme entstehen, unter anderem Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie Herzinfarkte, Schlaganfälle und Durchblutungsstörungen, oder auch potenziell lebensbedrohliche Bauchspeicheldrüsenentzündungen. Schwere Fettstoffwechselstörungen können in spezialisierten Lipidambulanzen erkannt und behandelt werden.
Diese Störungen umfassen erhöhte Cholesterinwerte, erhöhte Lipoprotein(a)-Werte oder erhöhte Triglyceridwerte. Sie können genetisch bedingt sein (primäre Störungen) oder durch einen ungesunden Lebensstil, eine falsche Ernährung und bestimmte Erkrankungen, wie Diabetes mellitus, Schilddrüsenunterfunktion und Nierenprobleme verursacht werden (sekundäre Störungen).
Lipide spielen eine entscheidende Rolle bei verschiedenen physiologischen Funktionen und sind für den Energiehaushalt, die Zellmembranstruktur, die Hormonproduktion und andere lebenswichtige Prozesse von essenzieller Bedeutung. Hier sind einige wichtige Aspekte des Fettstoffwechsels:
• Energiegewinnung: Fette dienen als eine wichtige Energiequelle. Sie werden in Form von Triglyceriden im Fettgewebe gespeichert und bei Bedarf in freie Fettsäuren und Glycerin zerlegt. Diese können dann von verschiedenen Geweben, insbesondere den Muskelzellen, für die Energieproduktion genutzt werden.
• Baustein für Zellmembranen: Lipide sind entscheidende Bestandteile von Zellmembranen. Phospholipide, eine spezielle Art von Lipiden, bilden die Grundstruktur von Zellmembranen und sind wichtig für die Integrität und Funktionsfähigkeit der Zellen.
• Hormonsynthese: Lipide sind Vorläufer für die Synthese von Steroidhormonen, wie zum Beispiel Östrogen, Testosteron und Cortisol. Diese Hormone sind regulatorisch an verschiedenen physiologischen Prozessen beteiligt, einschließlich des Stoffwechsels, der Fortpflanzung und der Stressantwort.
• Fettlösliche Vitamine: Fette spielen eine entscheidende Rolle bei der Absorption und dem Transport von fettlöslichen Vitaminen (A, D, E und K) im Körper. Diese Vitamine sind wichtig für verschiedene biologische Funktionen, einschließlich der Knochengesundheit, des Immunsystems und der Blutgerinnung.
Dr. Barbara Klein ist Fachärztin für Innere Medizin, Diabetologie und Nephrologie, Lipidologin und Hypertensiologin und leitet die Lipidambulanz in der Diabetologischen Schwerpunktpraxis am Standort WDGZ (Westdeutsches Diabetes- und Gesundheitszentrum). Die Behandlung von schweren Fettstoffwechselstörungen in der Lipidambulanz ist integraler Bestandteil der Praxis.
Frau Dr. Klein, was sind die Vorteile einer spezialisierten Lipidambulanz?
Dr. Barbara Klein: In unserer Lipidambulanz liegt das Augenmerk fokussiert auf dem spezifischen Problem der jeweiligen Fettstoffwechselstörung. Im Team können wir so eine individuelle Klärung, Beratung und Medikation für die Patienten vornehmen. So braucht es z. B. bei Therapien mit einer subkutanen Medikamentengabe erfahrene Ärztinnen und Ärzte – wir möchten unsere Patienten gründlich und in Ruhe aufklären, sie auch bezüglich der Injektion selbst anleiten.
Was sind typische Symptome, mit denen Patienten Ihre Lipidambulanz aufsuchen?
Dr. Barbara Klein: Die Patienten empfinden selbst keine Symptome. Stattdessen kommen sie meistens nach einem Herzinfarkt, Schlaganfall oder bei Durchblutungsstörungen der Beine in unsere Lipidambulanz. Aus einem einfachen Grund: Die Ursache der Durchblutungsstörungen, die zu diesen schweren Erkrankungen führen, ist immer eine Cholesterinablagerung in den Gefäßen. Damit diese Ablagerung in den Gefäßen nicht zunimmt und auch an weiteren Stellen in den Arterien keine Verengung auftritt, erfolgt eine Überweisung in unsere Lipidambulanz. Eine Verschlechterung der Erkrankung soll verhindert werden. Für die Prävention von Herz- Kreislauferkrankungen gibt es Leitlinien der Deutschen Diabetes Gesellschaft für Kardiologie und/oder der Lipid Liga, an diese Empfehlungen halten wir uns in der Therapieentscheidung.
In der kardiovaskulären Sekundärprävention behandeln wir wiederum Patienten mit bereits bestehenden Gefäßschäden, die also bereits einen Herzinfarkt und/oder einen Schlaganfall erlitten haben. In diesen Fällen ist die Cholesterinabsenkung oberstes Ziel. Das LDL-Cholesterin soll unter 55 mg/dl gesenkt werden. Wenn dies nicht möglich ist, soll zumindest der Ausgangs-LDL-Cholesterinwert um die Hälfte abgesenkt werden, also Absenkung um 50 Prozent.
Wir sehen auch Patienten, die nicht wegen einer Cholesterinerhöhung, sondern wegen einer angeboren Fettstoffwechselstörungen, der Lipoprotein(a)-Erhöhung, zu uns kommen. Lipoprotein(a) ist ein Fettfaktor, der angeboren ist und mit Lebensstilinterventionen und/oder Medikamenten kaum behandelt oder abgesenkt werden kann. Hier ist das oberste Ziel, alle weiteren kardiovaskulären Risikofaktoren (Übergewicht, Diabetes mellitus, Bluthochdruck, Nierenerkrankungen, fehlende Bewegung, Rauchen) zu reduzieren. Üblicherweise muss jedoch immer zusätzlich indirekt medikamentös behandelt werden, nämlich eine Absenkung des LDL-Cholesterins erreicht werden. Und dies geschieht wiederum durch die Tablettentherapie. Zudem behandeln wir Patienten mit erhöhten Triglyceriden, einem weiteren Fettfaktor im Blut.
Zusammenfassend sind wir also die Instanz nach den Haus- oder Fachärzten und behandeln und beraten sogenannte „Problemfälle“ mit der nötigen Ruhe und Zeit. Das schließt sowohl Patienten mit bereits bestehenden Folgeerkrankungen als auch die präventiven Fälle mit ein. Für eine Behandlung benötigen die Patienten eine Überweisung, außerdem bitten wir sie darum, vor dem Termin unseren Fragebogen auszufüllen. Dieser Fragebogen kann meist nur mit dem Hausarzt ausgefüllt werden, da der sehr spezifisch ist.
Wie werden Fettstoffwechselstörungen diagnostiziert und warum ist das Erkennen der Störung so wichtig?
Dr. Barbara Klein: Fettstoffwechselstörungen werden mittels einer Blutabnahme diagnostiziert. Die Identifizierung dieser Störung ist von großer Bedeutung, da sie es uns ermöglicht, anhand der entsprechenden Blutfettwerte – sei es Lipoprotein(a) oder insbesondere das LDL-Cholesterin – zu entscheiden, ob und in welchem Ausmaß eine Behandlung für den Patienten erforderlich ist. Nachdem wir die Werte analysiert haben, wird eine umfassende Anamnese durchgeführt, um den individuellen Hintergrund des Patienten zu erfassen. Dies beinhaltet die Erfassung des individuellen kardiovaskulären Risikos durch das Überprüfen weiterer relevanter Faktoren, wie einem möglicherweise vorliegenden Übergewicht, Bluthochdruck, Rauchen, Bewegungsmangel und Diabetes mellitus. Je höher das kardiovaskuläre Risiko ist und je länger dieses Risiko schon besteht, desto intensiver muss die Behandlung des Patienten sein. Wobei wir uns in unserer Lipidambulanz auf die Senkung der Blutfettwerte fokussieren. Wir betrachten dabei eine Vielzahl von Risikofaktoren und arbeiten mit verschiedenen Fachdisziplinen zusammen, um eine umfassende Behandlungsstrategie zu entwickeln.
Die Erkennung ist so wichtig, da erhöhte Triglyceride (über 600 mg/dl) zu einer Bauchspeicheldrüsenentzündung führen können. Jede Bauchspeicheldrüsenentzündung ist ein ernsthaft gesundheitliches Risiko und kann schlimmstenfalls tödlich enden. Die gute Nachricht ist, dass diese Fettfaktoren (Triglyceride) üblicherweise sehr gut mit einer Lifestyle-Intervention behandelt werden können und dass seltener Medikamente zur Absenkung benötigt werden. In diesem Fall führt unser Team eine individuelle Ernährungsberatung durch, zuvor wird natürlich nach der Ursache der Triglycerid-Erhöhung gesucht (z.B. Schilddrüsenunterfunktion und/oder Diabetes mellitus).
Um das Gleichgewicht der Lipide wiederherzustellen, ist eine gezielte Behandlung notwendig. Wie genau sieht die in der Lipidambulanz aus?
Dr. Barbara Klein: In der Lipidambulanz wird eine ganzheitliche Betrachtung des Patienten vorgenommen, um sein individuelles Risikoprofil zu ermitteln und darauf basierend eine maßgeschneiderte Therapie zu planen. Oft kommen Patienten zu uns, die bereits vom Hausarzt als austherapiert gelten, beispielsweise weil sie Statine aufgrund von Unverträglichkeiten nicht einnehmen können. In solchen Fällen übernehmen wir die Verantwortung und evaluieren alternative Behandlungsoptionen. Unsere Vorgehensweise basiert dabei auf evidenzbasierten Leitlinien, welche von Fachgesellschaften festgelegt werden. Wir verlassen uns nicht auf intuitive Entscheidungen, sondern halten uns an klare Richtlinien, um eine optimale Therapie zu gewährleisten.
Die Zuweisung von Patienten erfolgt gezielt durch den Hausarzt oder Facharzt (Kardiologe, Neurologe, Angiologe, Gefäßchirurg). Dann ist die sorgfältige Ausfüllung des Fragebogens von großer Bedeutung, bestenfalls auch mit der Unterstützung des Haus- oder Facharztes, um sicherzustellen, dass alle relevanten Informationen vorliegen.
Warum sind ein interdisziplinäres Team und eine individuelle Beratung/Behandlung so wichtig?
Dr. Barbara Klein: Ein interdisziplinäres Team ist von entscheidender Bedeutung, da es verschiedene Fachrichtungen zusammenführt, um eine umfassende Betreuung zu gewährleisten. Neben den ärztlichen Fachkräften spielen auch nicht-ärztliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wie unsere Ernährungsberater, Ökotrophologen oder Diabetesberater eine zentrale Rolle. Ihre Expertise ermöglicht es, individuelle Ernährungspläne zu erstellen, die auf die spezifischen Bedürfnisse der Patienten zugeschnitten sind. Dabei wird berücksichtigt, ob eine cholesterinarme oder triglyceridarme Ernährung erforderlich ist. Diese Empfehlungen werden nicht nur schriftlich ausgehändigt, sondern auch ausführlich mit den Patienten besprochen.